ICNIRP stellt ICNIRP-Grenzwerte für HF auf Prüfstand (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 19.05.2015, 00:51 (vor 3282 Tagen)

Das dürfte spannend werden: Auf ihrem kommende Arbeitstreffen (26. bis 28. Mai 2015, Istanbul) unterzieht die ICNIRP die Schwellenwerte, ab denen EMF-Immission zu thermischen Schäden in Organismen führt, einer genaueren Inspektion. Das Treffen ist öffentlich, jedermann, der sich registriert und die Teilnahmegebühr (420 €) entrichtet hat, kann teilnehmen.

ICNIRP betreibt die Bestandsaufnahme des aktuellen Wissens zu den thermischen Schwellenwerten als Vorbereitung des nächsten Updates der bekannten ICNIRP-Empfehlungen für HF-Grenzwerte. Zuletzt wurden diese Empfehlungen 1998 aktualisiert (PDF, 34 Seiten, englisch). In Istanbul soll das bisherige Schutzkonzept neu überdacht werden, insbesondere ob unter Exposition ein Körpertemperaturanstieg um maximal 1 °C noch immer als gesundheitlich unbedenklich angesehen werden darf und ob auch heute noch gilt, dass bei Ganzkörperexposition mit einer spezifischen Absorptionsrate von 4 W/kg die Körpertemperatur nach 30 Minuten Exposition um weniger als 1 °C angestiegen ist. Details dieses Schutzkonzepts und auch die gesundheitlich relevanten Schwellen bei Teilkörperexposition müssen in der Türkei ihre Belastbarkeit aus heutiger Sicht zeigen.

Unter anderem geht es in Istanbul um folgende Ziele/Fragestellungen:

► Definition/Verabschiedung der Schwellenwerte für thermische Schäden ...
a) unter Bezug auf den gesamten Körper, auf Körperteile (Gliedmaßen, Rumpf, Kopf), auf Organe (Gehirn, Augen, Hoden, Haut ...) und auf Gewebearten (Muskel, Fett, Nervenzellen, Bindegewebe).
b) abhängig von der Trägerfrequenz des HF-Signals.
c) unter Einbeziehung von Umgebungsbedingungen (Kälte, Hitze, Feuchte, Kleidung).
d) unter Berücksichtigung körpereigener Bedingungen (physiologische Varianz, Altersabhängigkeiten, Gesundheitszustand, Metabolik, Medikation, gestörte Thermoregulation, Schwangerschaft).

► Definition/Verabschiedung gesundheitlich relevanter Größen (SAR, Leistungsflussdichte, Temperatur, thermische Dosis/CEM43°C, Wärmedosisleistung gemäß Arrhenius-Beziehung).

► Ist unsere Thermoregulation (Reaktion auf körperliche Arbeit und hohe Umgebungstemperaturen) auch dann wirksam, wenn nur lokale Erwärmung durch HF-Absorption im Körperinneren auftritt?

► Sind die Mittelungszeitspanne von 6 Minuten und die Mittelung über 10 Gramm Gewebemasse noch angemessen?

► Muss die Einwirkdauer von HF-Feldern in Betracht gezogen werden, auch schon bei schwacher Exposition?

Das Programm der Veranstaltung und die Referenten sind hier einsehbar.

Am Ende des Arbeitstreffens sind 1 ½ Stunden Diskussion vorgesehen. Dabei soll es um konkrete Fragen gehen, die auch Mobilfunkgegner seit langem umtreiben, etwa:

- Wie gut beschreibt die SAR die gesundheitlich relevanten thermischen Schwellenwerte?
- Wie konservativ ist der von ICNIRP gewählte Reduktionsfaktor 50 gegenüber Exposition mit nachweislichen Gesundheitsschäden aus aktueller Sicht?

Reduktionsfaktoren, wie sie ICNIRP versteht, bedeuten einen Sicherheitsaufschlag gegenüber thermischen Schäden und gegenüber wissenschaftlichen Unsicherheiten, die z.B. aus der physiologischen Varianz von Organismen resultieren. Sie dürfen, darauf weist ICNIRP am Ende des Programms ausdrücklich hin, nicht als Vorsorgemaßnahme betrachtet werden. Es würde mich nicht wundern, sollten Mobilfunkgegner diesen Sachverhalt, der sich aus dem Verständnis von Vorsorge- und Immissionsgrenzwerten zwangsläufig ergibt, gründlich missverstehen und an ihren Lagerfeuern laut beklagen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
ICNIRP, SAR, Teilkörper-SAR, Prüfstand, Teilkörperexposition, Ganzkörper-SAR, ICNIRP-Empfehlung

Körperkerntemperatur: Anstieg um 1 °C nicht ganz unbedenklich

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 03.06.2015, 14:36 (vor 3267 Tagen) @ H. Lamarr

In Istanbul soll das bisherige Schutzkonzept neu überdacht werden, insbesondere ob unter Exposition ein Körpertemperaturanstieg um maximal 1 °C noch immer als gesundheitlich unbedenklich angesehen werden darf und ob auch heute noch gilt, dass bei Ganzkörperexposition mit einer spezifischen Absorptionsrate von 4 W/kg die Körpertemperatur nach 30 Minuten Exposition um weniger als 1 °C angestiegen ist.

Wie aus Teilnehmerkreisen der Veranstaltung zu hören ist, sehen Arbeitsmediziner eine Erhöhung der Körperkerntemperatur um 1 °C heute nicht mehr ganz so gelassen wie früher. Ohne Not sollte so eine Temperaturerhöhung nicht ausgeschöpft werden. Offen sind freilich noch Fragen, auf welche Weise und wo Körperkerntemperaturen am besten zu messen sind.

Auslöser für diese Neubesinnung sind allerdings nicht EMF, sondern die harten Arbeitsbedingungen, unter denen z.B. Arbeiter an Schmelzöfen der Schwerindustrie arbeiten. Ob durch glühenden Stahl oder durch EMF verursacht ist letztlich jedoch egal, die Körperkerntemperatur sollte jedenfalls nicht um 1 °C ansteigen.

Inwieweit sich der aktuelle Kenntnisstand in den ICNIRP-Empfehlungen niederschlägt wird an der kommenden Ausgabe festzustellen sein.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
ICNIRP, Ganzkörperexposition, Arbeitsmedizin

Bericht vom ICNIRP-Workshop in Istanbul (2015)

H. Lamarr @, München, Freitag, 23.09.2016, 23:44 (vor 2788 Tagen) @ H. Lamarr

Das dürfte spannend werden: Auf ihrem kommende Arbeitstreffen (26. bis 28. Mai 2015, Istanbul) unterzieht die ICNIRP die Schwellenwerte, ab denen EMF-Immission zu thermischen Schäden in Organismen führt, einer genaueren Inspektion. Das Treffen ist öffentlich, jedermann, der sich registriert und die Teilnahmegebühr (420 €) entrichtet hat, kann teilnehmen.

Der Bericht von diesem Workshop, wie er in einem wissenschaftlichen Journal publiziert wurde, steht jetzt als PDF zum Download bereit (englisch, 8 Seiten).

Abstract

The International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection issued guidelines in 1998 for limiting public and occupational exposure to radiofrequency electromagnetic fields (100 kHz to 300 GHz). As part of the process of updating this advice, a 2‐d workshop titled "A closer look at the thresholds of thermal damage" was held from 26-28May 2015 in Istanbul to re-examine the thermal basis of the guidelines and to provide further information on heat-related effects and thresholds of thermal damage. Overall, the workshop provided much useful information relevant to revision of the guidelines. Participants indicated that the effects of heating from radiofrequency fields are consistent with those from other sources, and that the information derived from those studies can be applied to radiofrequencyinduced heating.Another conclusion was that absolute temperature of tissues was more important for thermal damage than temperature change. The discussion suggested that the 6‐min averaging time used in international guidelines was valid for whole-body exposures but with a large uncertainty: 30 min may be a more appropriate averaging time for localized exposures, and less than 1 min for implanted medical devices. The duration of whole-body radiofrequency exposure is a critical parameter that often determines the effect threshold, but this will be affected by other, ongoing thermoregulation, which is dependant on many factors.
The thresholds for localized radiofrequency exposure were difficult to determine because of the potential range of exposure conditions and the possibility of radiofrequency-induced local hotspots. Suggestions for future dosemetrics and further research were discussed and are included in this report.
Health Phys. 111(3):300-306; 2016

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
ICNIRP, Workshop

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