Ecolog-Studie: T-Mobil bestellte seinerzeit vier Gutachten (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 07.04.2014, 00:43 (vor 3662 Tagen)

Als ich Anfang 2002 in die Mobilfunkdebatte stolperte war die alarmierende Ecolog-Studie noch immer Tagesthema. Komplett gelesen hatte sie eher keiner der Mobilfunkgegner von damals, doch dass die Deutsche Telekom bzw. deren Mobilfunktochter T-Mobil(e) die Veröffentlichung dieser Studie unterdrücken wollte, das wusste jeder. Es dauerte noch fünf lange Jahre bis 2007, ehe das Ecolog-Institut klarstellte, dass dieser angebliche Unterdrückungsversuch ein frei erfundenes Märchen ist, das unter Mobilfunkgegnern kursierte.

Zufällig bin ich heute auf ein weiteres Dokument gestoßen, das in die Vorgänge um die Ecolog-Studie noch ein bisschen mehr Licht wirft. Denn das Ecolog-Institut war seinerzeit nur einer von vier Gutachtern, der von T-Mobil beauftragt wurde.
Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Vortrag "Mobilfunk und Immissionsschutz" von Dr. Udo Weese, Ministerium für Umwelt und Verkehr, Referat Immissionsschutz, Stuttgart, September 2001:

Die T-Mobil, Darmstadt, hat aufgrund der teilweise sehr unterschiedlichen Bewertung wissenschaftlicher Ergebnisse im Jahr 2000 ein Projekt gestartet, um Möglichkeiten für eine sachliche und faktenbezogene Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen zu finden.
Als ersten Teilschritt des Projektes wurden vier Institute mit unterschiedlichem Erfahrungshorizont beauftragt, die einschlägige wissenschaftliche Literatur zu sichten und anhand von ca. 100 relevanten Arbeiten, den Erkenntnisstand zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen des Mobilfunks darzulegen und zu bewerten. Die häufig zitierte Studie des ECOLOG-Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung gGmbH, Hannover, welche von den ICNIRP-Empfehlungen abweichende Grenzwerte empfiehlt, ist eine dieser vier Studien. Als zweiten Teilschritt sollen diese vier Gutachten von einer Expertengruppe unter Moderation der Programmgruppe Mensch, Umwelt und Technik (MUT) am Forschungszentrum Jülich ausgewertet und mit den im ersten Teilschritt beauftragten Instituten diskutiert werden. Einzelheiten des Projektes einschließlich der vier Gutachten des ersten Teilschritts sind im Internet unter der Adresse http://www.emf-risiko.de/projekte/pro_emf.html zu finden. Dort wird u.a. ausgeführt:
„Diese Gutachten weisen folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf:

Es kommt nun darauf an, einen fairen und fachlich kompetenten Diskussionsprozess zu führen." In einer ersten Analyse wurden die für die Gutachten jeweils herangezogene Datenbasis verglichen. Es zeigte sich, dass von den Gutachtern in beträchtlichem Maße unterschiedliche wissenschaftliche Arbeiten heran gezogen wurden. Dies sagt nichts über die Qualität der einzelnen Gutachten aus, macht aber deutlich, dass es offensichtlich keine einheitlich verwendeten Kriterien für die Auswahl dieser Arbeiten gibt.
Die besondere Bedeutung der vier von T-Mobil beauftragten Gutachten - und damit auch der ECOLOG-Studie - liegt vor allem in dem Versuch, die verschiedenen Ansätze der Gutachter für die gewählte fachliche Grundlage und die darauf aufbauende Bewertung aufzuzeigen und zu diskutieren. Der zweite Teilschritt des Vorhabens ist daher geeignet, zu einer Versachlichung der Diskussion beizutragen.

Hintergrund
Die vier Gutachten stehen noch heute auf der Website der Programmgruppe Mensch, Umwelt, Technik zum Download bereit. Öffentliche Beachtung fand allein das Gutachten des Ecolog-Instituts:

Prof. Dr.-Ing. habil. med. Jiri Silny, Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit femu, RWTH Aachen: Gesundheitliche Auswirkungen der Mikrowellen von Mobilfunkanlagen im D-Netz

Prof. Dr. Roland Glaser, Humboldt-Universität Berlin, Institut für Biologie: Darstellung und Bewertung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen des Mobilfunks in Relation zu bestehenden Empfehlungen und Normen

Dr. H.-Peter Neitzke, Ecolog-Institut, Hannover: Mobilfunk und Gesundheit - Bewertung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes unter dem Gesichtspunkt des vorsorgenden Gesundheitsschutzes

Dipl.-Ing. Antje Benischke, Dr. rer. nat. Dirk Bunke, Dipl.-Phys. Christian Küppers, Dr. rer. nat. Christine Wassilew-Reul, Öko-Institut e.V., Nukleartechnik und Anlagensicherheit, Darmstadt: Gutachten zum Erkenntnisstand zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen des Mobilfunks

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Neitzke, Glaser, Silny, Telekom, Küppers


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