Im Jahr 1999 wurde auf dem Dach einer dreigeschossigen Wohnhauses in Kempten (Bayern) ein Mobilfunkmast fürs D1-Netz errichtet. Zwei im Haus wohnende Familien sahen darin eine Gesundheitsgefährdung und minderten die Miete für die ihrer Ansicht nach jetzt mangelhaft gewordenen Wohnungen um jeweils 20 %. Im Rechtsstreit mit dem Vermieter bekam dieser im Oktober 2002 vor dem Amtsgericht Kempten Recht (Az. 1 C 592/02 und 4 C 588/02). Die Berufung der Mieter wurde vom Landgericht Kempten mit Urteil vom 14.1.2004 zurückgewiesen (Az. 5 S 2572/02). Da die Urteilsbegründung des Landgerichts für viele von Interesse ist, die in vergleichbare Situationen sind, geben wir die wichtigsten Auszüge aus der Urteilsbegründung nachfolgend wieder.
Keine wesentliche bauliche Änderung
§ 8 Abs. 7 des Mietvertrages verpflichtet den Mieter, bauliche Veränderungen durch den Vermieter zu dulden, wenn sie den Mietgegenstand nicht wesentlich beeinträchtigen. Ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder stellt der auf dem Dach des dreigeschossigen, größeren Wohnanwesens in einer Höhe von 17,4 m über dem Boden (gemessen vom Straßenniveau aus) errichtete, von den Wohnungen überhaupt nicht und von der Straße wie vom Garten aus nicht von allen Punkten aus zu sehende Mast eine wesentliche Beeinträchtigung nicht dar. Eine wesentliche bauliche Änderung liegt somit nicht vor.
Verbot gegenüber Mieter und nicht Vermieter
Nicht nachvollziehbar ist der Vortrag der Beklagten, der Vermieter habe gegen § 12 Abs. 1 des Mietvertrages verstoßen. Nach dieser vertraglichen Bestimmung ist ein Anbringen von Antennen an der Außenfront des Gebäudes nicht gestattet. Diese Bestimmung spricht – dies ist aus ihrem Gesamtzusammenhang erkennbar – ein Verbot gegenüber den Mietern aus, berührt jedoch eine Berechtigung des Vermieters zum Anbringen eines Mastes nicht.
Keine Grenzwertüberschreitung
Letztlich ist durch die Aufstellung des Mastes im Jahre 1999 auch kein Mangel der Mietsache i.S.d. § 536 BGB entstanden, der die Beklagten berechtigte, nur noch eine – hier um 20 % geminderte Miete zu zahlen. In der weit überwiegenden Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt – von dieser Auffassung abzuweichen besteht hier keine Veranlassung –, dass elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder und Strahlungen, insbesondere von Stromleitungen und Sendefunkanlagen (sog. Elektrosmog) dann einen Mangel einer Mietsache darstellen, wenn die Grenzwerte der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung vom 16.12.1996 überschritten werden oder (unabhängig von den Grenzwerten) eine auf die Sendefunkanlage zurückgehende Beeinträchtigung des Mieters besteht. Eine Anscheinsgefahr genügt hierbei nicht, ebenso wenig genügen besondere Empfindlichkeiten oder Befürchtungen von Mietvertragsparteien. Für das Vorliegen einer Beeinträchtigung oder konkreten Gefährdung ist der Mieter, da es um seine Berechtigung geht, den Mietzins zu mindern, beweispflichtig.
Keine konkrete Gefährdung bei 1,45 % Grenzwertausschöpfung
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall: Außer Streit zwischen den Parteien ist, dass die Grenzwerte der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung nicht erreicht werden. Darüber hinaus führt das von der Kammer erholte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W. nach Durchführung mehrstündiger Messungen unter Zugrundelegung allgemein anerkannter Messmethoden an 7 verschiedenen Messpunkten in den Wohnungen der Beklagten und im Garten des Anwesens W. - letztlich auch von den Beklagten nicht mehr angegriffen - zu dem Ergebnis, dass die Grenzwerte der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung selbst bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung (Maximalimmission) sehr weit unterschritten bleiben. Sie werden lediglich zu 0,97 % bis 1,45 % (in den Wohnungen) und zu 6,26 % (Messpunkt im Garten) erreicht. Damit liegen sie (vom Garten abgesehen) im Bereich der typischen zivilisatorischen Strahlenbelastung, der jeder Bürger ausgesetzt ist. Bei den vom Sachverständigen ermittelten Strahlenbelastungen wird ernsthaft eine Beeinträchtigung oder konkrete Gefährdung einer Mietvertragspartei nicht mehr diskutiert. Bei dieser Sachlage gelingt den Beklagten der Beweis eines Mangels der Mietsache nicht.
Mathematisch hoher Steigerungsfaktor ist unerheblich
Auch mit anderer Argumentation ist hier ein Mangel der gemieteten Wohnungen nicht zu begründen. Ein Mangel einer Mietwohnung kann grundsätzlich auch damit begründet werden, dass eine nach Beginn des Mietverhältnisses errichtete Sendefunkanlage die im Bereich der Mietwohnung (oder auch des dazugehörenden Gartens) ohnehin vorhandene Strahlenbelastung (die nach den Feststellungen des Sachverständigen bei 0,06 % bis 0,36 % der Grenzwerte der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung liegt) erheblich erhöht habe. Hierauf hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2003 hingewiesen. Ein Mangel einer Mietsache kann jedoch in einem solchen Fall nur dann angenommen werden, wenn zu belegen ist, dass sich die ohnehin gegebene Strahlenbelastung tatsächlich wesentlich erhöht hat. Mathematisch betrachtet stellt sich selbstverständlich die Steigerung des vorgenannten Prozentsatzes von 0,06 % des Grenzwertes (hier bei Messpunkt 5) auf 1,0 % des Grenzwertes als eine wesentliche Steigerung dar. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist jedoch ein mathematisch ermittelter Multiplikationsfaktor (für Messpunkt 5 beträgt er beispielsweise 16,67) nicht entscheidend zur Beurteilung der tatsächlichen wesentlichen Änderung einer Strahlenbelastung.
Entscheidend für die Frage, ob eine wesentliche Erhöhung der Strahlenbelastung eingetreten ist, ist vielmehr, ob sie in Bereiche steigt, die sich dem Grenzwert der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung annähern oder wenigstens einen wesentlichen Prozentsatz des Grenzwertes ausmachen oder ob sie in eine Höhe steigt, die andere unter medizinischen Gesichtspunkten als bedenklich diskutierte Grenzwerte erreicht. Dies ist indes bei weitem nicht der Fall. Selbst bei Vollauslastung (Maximalimmission) beträgt die Strahlenbelastung in den Wohnungen durchschnittlich nur 100stel des Grenzwerts und im Garten lediglich knapp 1/16 des Grenzwerts. Bei dieser bewiesenen Sachlage kann das Bestehen eines Mangels nach heutigem medizinischen wie technischen Erkenntnisstand nicht mehr ernstlich in Erwägung gezogen werden (21.1.04-ll).
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